Die Pleite der voestalpine 1985 — ein Lehrstück?

DER ERFOLGREICHE

ÜBERLEBENSKAMPF

Ende November 1985 wurde das Undenkbare Realität. Der österreichische Paradekon- zern voestalpine war pleite. Ein wirtschaftliches und politisches Erdbeben. Viele Jahre hat der Vorstand versucht, gegenzusteuern. In der Struktur, durch Abbau von nicht benötigtem Personal, durch Streichung von Sozialleistungen und Änderungen bei der Betriebspension. Doch die Versuche endeten in der Regel damit, dass der Konzernbe- triebsratsobmann der lächelnde Sieger an der Seite des Bundeskanzlers war – und alles beim Alten blieb. Bei den Beschäftigten bewirkte das ein ausgeprägtes, beinahe borniertes „Wir sind wir“-Gefühl. Der positive „voestalpine-Geist“ wurde zu einem verhängnisvollen Ungeist.


Die Verstaatlichte war eine Spielwiese der Politik, die der Markt nicht bezahlt hat.

Der Vorstand trat die Flucht nach vorn an und stieg in der Hoffnung auf höhere Erträ- ge ins Öl- und Waffengeschäft ein. Stichwort Noricum und Intertrading, unter stiller Billigung der Politik.


Im November 1985 platzte das schwindelerregende Abenteuer mit Erdölderivaten, die Intertrading war pleite, riss den Konzern mit und stürzte die SPÖ in heftige Turbulen- zen. Am 29. November wurde der gesamte Vorstand zum Rücktritt gezwungen – ohne dass der Aufsichtsrat eigentlich wusste, wer an seine Stelle treten sollte.


Dieser Tag war eine Zäsur. Den Parteien dämmerte es, dass die Idee der Verstaatli- chung so nicht aufrechterhalten werden konnte. Das Dogma der Beschäftigungsmaxi- mierung war Geschichte, in der ÖIAG wurde der Proporz abgeschafft. Der Konzern wurde zerschlagen, restrukturiert und redimensioniert. Ein letztmaliger, lebensretten- der Staatszuschuss wurde gewährt, der dafür verlangten Kürzung bei den Pensionszu- sagen stimmte „Betriebsratskaiser“ Franz Ruhaltinger in Verhandlungen mit Peter Strahammer in letzter Minute zu. Es war Ruhaltingers letzte Amtshandlung. Ein Über- lebenskampf begann, auch um Tausende Beschäftigte, die gehen mussten – mit der Geburtsstunde der voestalpine Stahlstiftung.


Ein Überlebenskampf, der gewonnen worden ist und 1995 in der Privatisierung der voestalpine gemündet hat. Mit einem neuen Vorstand, der sich gemeinsam mit den Mitarbeitern von der Politik emanzipiert hat, der auf Qualität setzte und darauf, von seinen Produkten und Märkten etwas verstehen zu müssen. Sicherlich befördert durch die neuen politischen Rahmenbedingungen wie den Fall des Eisernen Vorhangs und Österreichs Antrag auf einen Beitritt zur EU.

Ursachen und Konsequenzen der Pleite

1

„Mir bereiten ein paar Hunderttausend Arbeitslose mehr Kopfzerbrechen als ein paar Milliarden Schilling mehr Schulden.“ Dieser sinngemäße Satz von Bruno Kreisky galt der Politik, auch den Landes- hauptleuten, als Handlungsmaxime. Unternehmen im Staatsbesitz, wie der voestalpine-Konzern, wurden so zur Spielwiese.

2

Betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten konnten vom Vorstand nicht umgesetzt werden. Er suchte sein Heil in besonders gewinnträchtigen, aber risikoreichen Branchen – und scheiterte.

3

Die Pleite bewirkte einen Überlebens- kampf der voestalpine und ein allgemei- nes Umdenken. Es entstand ein neuer Konzern, mit neuem Denken, neuen Zielen und der Loslösung von der Politik.