Die Wiederauferstehung der voestalpine nach 1945 und die Entwicklungen bis 1985
Es war die Erfindung des LD-Verfahrens, die die Wirren und den Niedergang der österreichischen Stahlindustrie im Gefolge des 2. Weltkrieges vergessen ließ. Nach Kriegsende wird in Donawitz und Linz gleichzeitig mit neuen Verfahren zur Stahler- zeugung experimentiert. In Donawitz liefen diese Versuche als Projekt SK-Verfahren (Sauerstoff-Konverter-Verfahren), in Linz unter LD-Verfahren (Linzer Düsenverfah- ren). Das Ergebnis war eine für die gesamte Stahlindustrie wegweisende Erfindung unter dem gemeinsamen Namen LD-Verfahren (Linz-Donawitz-Verfahren), das in den 1950er Jahren einen Siegeszug um die Welt antrat.
Die VÖEST schwamm damals auf einer Erfolgswelle, und solange sie das gemacht hat, was sie konnte, nämlich Stahlwerke bauen und hochqualitativen Stahl zu erzeugen, war es eine sehr erfolgreiche Zeit. Die Beschäftigten waren beseelt von ihrer Erfin- dung, entwickelten einen ausgeprägten Korpsgeist und hielten „ihre“ VÖEST zuneh- mend für unschlagbar. Zahlreiche, in ihren damaligen Dimensionen heute oft kaum vorstellbare Sozialeinrichtungen, vom ersten Notarztwagen in Österreich bis zu groß- zügigen Erholungseinrichtungen und zur allgemeinen Firmenpension, vervollständig- ten dieses Bild.
Gegen Ende der 1960er Jahre aber machte der Erfolg das Unternehmen übermütig. Nach dem Motto: Wer Stahlwerke bauen kann, kann auch Raffinerien, Zementanlagen oder Zellstoff- und Papierfabriken errichten, begann eine strategisch wenig durch- dachte Internationalisierung im Anlagenbau. Dazu geriet das Unternehmen immer tiefer in den Strudel der Politik. Diese sonnte sich im Erfolg der VÖEST. Statt sich auf die gesetzlichen Eigentümerrechte zu beschränken, regierte sie immer stärker in das Unternehmen hinein. Die enge Verflechtung mit der Politik hat ein Sicherheitsgefühl vermittelt und dazu geführt, dass sich der Konzern und seine Beschäftigten, aber auch viele Entscheidungsträger, zunehmend unverwundbar glaubten.
1973 erfolgte in einem konjunkturell schwierigen Umfeld die österreichische Stahlfu- sion, VÖEST und Alpine waren wieder vereint, 1975 kamen noch die Vereinigten Edel- stahlwerke (VEW) dazu. Die Kombination aus Ölkrise, Konjunktureinbruch, Struktur- problemen und einer rigiden Arbeitsplatzerhaltungspolitik der Regierung führte dazu, dass der ehemalige Vorzeige-Konzern mit über 80 000 Beschäftigten in immer schwe- rere Turbulenzen geriet. Politische Ziele zählten mehr als betriebswirtschaftliche. Das Unternehmen erstickte letztlich am Filz aus Politik und lokalen Partikularinteressen, aber auch am Missmanagement bis hin zur Verleugnung betriebswirtschaftlicher Zwänge. Der damalige Finanzminister Herbert Salcher zementierte diese Zustände mit der Aussage, die voestalpine müsse sich finanziell keine Sorgen machen, der Staat garantiere für das Unternehmen.
Am Boden liegend krempeln alle die Ärmel hoch, versuchen, sich den Nach- kriegswirren zu entziehen und wieder auf die Beine zu kommen. Die Erfindung des LD-Verfahrens zur Stahlerzeugung lässt ungeahnte Perspektiven entstehen.
Die Zukunft heißt LD-Verfahren, es führt die voestalpine in eine neue, erfolgreiche Zeit, schweißt die Mitarbeiter zusammen und lässt den „VÖEST-Geist“ entstehen.
Das Unternehmen schwimmt auf einer Erfolgswelle, startet aber eine wenig durchdachte Internationalisierung im Anlagenbau und beginnt, erfolgreiche Pfade zu verlassen. Zunehmende Struk- turprobleme in der europäischen Stahlin- dustrie führen schließlich zur Fusion von VÖEST, Alpine und VEW.
Eine sich abschwächende Konjunktur, Roh- stoffverteuerungen und Stahlüberkapazi- täten in Europa setzen die voestalpine wirtschaftlich immer stärker unter Druck. Politische Einflussnahme in Kombination mit innerbetrieblicher Hybris verunmög- licht eine angemessene Reaktion auf die Krise. Diversifizierungsversuche in Richtung Waffen, Öl und Anlagenbau schlagen fehl.