Das Leben ist Veränderung, auch am Arbeitsplatz. Heute wird die Digitalisierung als die neue Revolution bezeichnet. Doch für einst wie für jetzt gilt: Der Mensch – die Mitarbeiter – ist die wichtigste Grundlage für den Erfolg des Unternehmens.
Es war im Jahr 2004. Da wurde das Wort „Humankapital“ zum Unwort des Jahres gekürt. Denn, so die Begründung, der Begriff degradiere nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen generell zu nur noch ökonomischen Größen. An dieser Begründung scheiden sich bis heute die Geister – und werden es wohl immer tun.
Weniger Grund für Auseinandersetzungen sollte sein, dass sich ein Arbeitgeber im ureigensten Interesse immer um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen wird. Zuerst, um sie für seinen Betrieb zu gewinnen, und dann, um sie dauerhaft zu halten. Denn verlässliche und engagierte Fachkräfte und Spezialisten sind Mangelware, nicht zuletzt, weil sich viele junge Menschen heute nicht mehr für eine Lehrausbildung, sondern für eine „Schulkarriere“ entscheiden. Führt sie diese nach Abschluss dann in ein Unternehmen, geht es auch bei ihnen darum, sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen.
Herausfordernder als früher ist dabei das Faktum, dass sich die Ansprüche und Bedürfnisse, die individuellen Erwartungen, die sozialen Rahmenbedingungen der bzw. für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer schneller verändern.
Unternehmen müssen sich heute öfter denn je zuvor fragen, wie attraktiv sie sind – für ihre Kunden genauso wie für die Mitarbeiter. Und da geht es nicht nur um eine entsprechende Bezahlung. Geld kommt in der Bedürfnispyramide erst recht weit hinten. Wichtiger sind den Menschen Fragen, wie sie sich selbst verwirklichen und weiterent- wickeln können, ob ihre Tätigkeit geschätzt und anerkannt wird, ob ihre sozialen Bedürfnisse wahrgenommen werden und letztlich auch, wie sicher ihr Arbeitsplatz ist.
Diese Werteskala ist nicht neu, aber sie wird mehr denn je eingefordert und für die jüngere Generation muss sie auch erweitert werden. Es ist anders als früher kein „Hochverrat“ mehr, das Unternehmen zu wechseln. Bei der voestalpine bleiben Beschäftigte im Schnitt derzeit 13 Jahre, Tendenz sinkend. Ein zentrales Thema ist für junge Menschen in diesem Zusammenhang die Work-Life-Balance. Sie legen Wert auf Freizeit, darauf, dass sie ihre Arbeitszeit ihren persönlichen Bedürfnissen bestmöglich anpassen können. Was nicht verwechselt werden darf mit mangelnder Leistungsbereit- schaft, aber alles zu seiner Zeit.
Personalabteilungen, heute HR-Departments genannt, stehen angesichts dieser Veränderungen vor großen Herausforderungen. Wird Personal gesucht, reicht es meist nicht mehr, einfach ein Inserat zu schalten, einen Metall-Facharbeiter findet man heute oft auf anderen Wegen als eine IT-Mitarbeiterin. In Österreich funktioniert das wieder anders als in China oder den USA. Völlig unterschiedlich sind auch mögliche Anreize: In den USA z. B. jemanden mit einer Zusatzkrankenversicherung ködern zu wollen, kann den Punkt treffen, aber auch auf völliges Unverständnis stoßen, denn man sei ja ohnehin gesund. Ein Auto wie der vor der Türe stehende Pick-up des Recruiters kann da schon viel reizvoller sein.
Ob ein Logistikexperte in Afrika, ein Facharbeiter in Österreich oder ein IT-Spezialist in China – ein Unternehmen wie die voestalpine ist mit dem gesamten Spektrum des globalen Arbeitsmarktes konfrontiert. Da genügt die eine Antwort – „Wir sind ein tolles Unternehmen“ – nicht mehr. Es muss die jeweils individuell passende Antwort gefunden werden, um attraktiv zu sein, und immer häufiger müssen Lösungen gefunden werden für die Frage, wie ein Lebensphasen-bezogener Arbeitsplatz – in welchem Land auch immer – sowohl für die Beschäftigten als auch das Unternehmen auf Basis oft völlig unterschiedlicher Rahmenbedingungen verträglich gestaltet werden kann. Die Antwort sind Hunderte verschiedene Arbeitszeitmodelle, von attraktiven Schichtdiensten bis zum Homeoffice. Ungleich wichtiger als früher ist es heute, den Beschäftigten Per- spektiven für die persönliche Weiterentwicklung geben zu können. Über diesen und vielen anderen Wünschen und Angeboten steht aber ein wichtiger Punkt als unerlässliche Verständnisbasis: Im Gegenzug muss das Unternehmen, die Marke voestalpine, als berufliche Heimat auch mit Loyalität gepflegt und respektiert werden.
Unerlässlich für den langfristigen Erfolg ist heute das Thema Aus- und Weiterbildung. Es widerspricht mehr denn je der Realität zu erwarten, dass Beschäftigte fertig ausge- bildet ins Unternehmen kommen. Abgesehen von zunehmenden schulischen Defiziten ändern sich die Anforderungen heute so schnell, dass laufende begleitende Weiterbildung ein Muss ist, um das langfristig erforderliche Qualifikationsniveau zu sichern. Eine gut funktionierende innerbetriebliche Weiterbildung, wo sinnvoll, mit kompetenter externer Unterstützung, ist da unerlässlich – vom Facharbeiter bis zur Führungskraft.
Fazit: Unternehmen müssen sich heute permanent neuen Entwicklungen und Heraus- forderungen im Personalsektor stellen. Sie müssen Anreize schaffen, sie müssen motivieren und zeitgerecht reagieren. Sie müssen die Sorgen der Beschäftigten ernst nehmen, etwa die immer wiederkehrende Frage, welche Konsequenzen die Digitalisierung für die Zukunft der Arbeitsplätze, „meines Arbeitsplatzes“, haben wird. In einer fairen, offenen Arbeitsbeziehung sollte aber auch zum Ausdruck gebracht werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Interesse eines dauerhaft funktionierenden Miteinander ebenfalls gefordert sind. Denn wo etwas geboten wird, ist es nicht ver- messen, im Gegenzug Engagement, Qualität, Flexibilität und Erfolgswillen zu erwarten. Am Ende kann man es drehen und wenden, wie man will: Je besser sich die Interessen der Mitarbeiter mit jenen des Unternehmens treffen, umso erfolgreicher wird sich die gemeinsame Zukunft darstellen – Ausdruck „Humankapital“ hin oder her.