Wie die Vision vom „grünen“ Stahl Realität werden kann
Der Schutz der Umwelt ist Anlie-gen und Herausforderung gleich-zeitig. Vieles ist geschafft. Diegroße Herausforderung ist heutedie Produktion von „grünem“Stahl. Das Zauberwort dafür heißt –aus heutiger Sicht – Wasserstoff.Für die Realisierung muss eineoffene und vorbehaltloseDiskussion darüber geführt werden,wie die dafür benötigten großenMengen an alternativer Energiehergestellt werden können.
Unverdächtigere Zeugen für gelungenen Umweltschutz als Oberösterreichs LandesratRudi Anschober lassen sich nicht leicht finden. Er konzediert der Industrie inOberösterreich im Allgemeinen und der voestalpine im Speziellen, dass sie ihre Haus-aufgaben zur Luftreinhaltung erfüllt haben und die Emissionswerte konstant unterden Grenzwerten liegen. Tatsächlich hat die voestalpine in den vergangenen 30 Jahrenihren spezifischen Energiebedarf um 15 % gesenkt, die CO2-Emissionen um 22 %,Stickoxide und Schwefeldioxid um rund 75 % sowie Staub um nicht weniger als 95 %.Vergleichbare Verbesserungen gibt es von der Abwasserreinigung bis zum Recycling.
Der Weg dorthin war ein weiter, vor allem im (Um-)Denken. Am Ende stand stattKonfrontation mit der Politik ein fruchtbarer Dialog, auch mit Umweltschutzorganisationen.Umweltschutz ist so zum festen Bestandteil der Unternehmensphilosophiegeworden.Die Erhaltung der Umweltstandards kostete den voestalpine-Konzern zuletzt fast 300Mio. Euro im Jahr. Dazu kommen noch mehr als 60 Mio. Euro an Investitionen inneue Umweltanlagen.
Die eigentliche und bei weitem größte Herausforderung steht aber erst bevor: diemassive Reduktion von CO2. Erster Schritt auf diesem Weg ist der Einsatz von Erdgasin der Direktreduktionsanlage in Texas, im Vergleich zu Kohle als Energieträger immerhineine CO2-Einsparung um rund 40 %. Das große Ziel lautet aber Reduktion von CO2 inder Stahlerzeugung um etwa 80 % bis 2050. Das Zauberwort dafür – jedenfalls ausheutiger Sicht – heißt Wasserstoff. Mit ihm kann Kohlenstoff entweder ersetzt oderCO2 zu einem unkritischen chemischen Produkt umgewandelt werden. Die technischen,wirtschaftlichen und politischen Hürden auf dem Weg zum möglichen Einsatz vonWasserstoff sind allerdings gewaltig.
In der Forschung und Technologieentwicklung scheint der Fortschritt am größten. Dievoestalpine betreibt zwei Versuchsanlagen: Das H2FUTURE-Projekt in Linz zur Erprobungder PEM-Elektrolysetechnologie im (ansatzweise) großtechnischen Maßstab und inder Steiermark das noch junge Projekt SuSteel zur Erforschung der CO2-Reduktion mitWasserstoffplasma.
Die Gretchenfrage ist derzeit: Wo kann und soll Wasserstoff in den großen künftigerforderlichen Mengen hergestellt werden und wie kommt er dann dorthin, wo erbenötigt wird? Soll die Stahlerzeugung tatsächlich „grün“ werden, muss der Wasser-stoff mit erneuerbarer Energie hergestellt werden – allerdings ist die Energiewirtschaftderzeit noch weit davon entfernt, die dafür erforderlichen Strommengen bereitstellenzu können. Steigt die voestalpine auf mit erneuerbarer Energie produzierten Wasser-stoff um, fällt die bisherige, durch den Einsatz von Kohle bzw. Koks gewährleisteteweitgehende Stromautonomie weg, damit werden 33 Terawattstunden zusätzlichenStroms benötigt. Das entspricht etwa 30 Donaukraftwerken bzw. rund 50 % derderzeitigen Stromerzeugung in Österreich.
Es bedarf also eines gewaltigen Ausbaus der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energiesowie des europaweiten Aus- und Umbaus der Infrastruktur für den Energietransport(Strom-, Gasnetze inkl. Speicherung). Dazu wird es eines massiven Engagements derEU bedürfen, weil diese Herausforderungen von keinem Land auf bloß nationaler Basisgelöst werden können. Die EU muss erneuerbare Energien forcieren, sie muss dieGesamtintegration der nationalen Stromnetze ermöglichen und Initiativen setzen, wieund wo Wasserstoff künftig erzeugt und transportiert werden kann. Auf die Energie-versorgungsunternehmen in Europa kommt die Herausforderung zu, diese Energie-mengen zu wettbewerbsfähigen Konditionen an die Endverbraucher heranzubringen.
„Grüner“ Stahl ist also das Ziel und der Klimaschutz der Treiber für diese größtetechnologische Strukturreform, seit Eisen und Stahl auf dieser Welt erzeugt werden.Die Diskussionen darüber müssen gleichermaßen rasch wie offen und vorbehaltlos inganzer Breite geführt werden. Wer „grünen“ Stahl will, muss umdenken und gegebe-nenfalls auch über seinen (nationalen) Schatten springen. Nur wenn alle an einemStrang ziehen, sind Industrie und Klimaschutz auch in Zukunft kein Widerspruch.
„Grüner“ Stahl ist das Ziel und der Klimaschutz derTreiber für diese größte technologische Strukturreform,seit Eisen und Stahl auf dieser Welt erzeugt werden.
Die weltweit größte Pilotanlage fürdie Herstellung von CO2-freiem,„grünem“ Wasserstoff in großtechni-schem Maßstab ist ein weitererSchritt in Richtung Dekarbonisierungder Stahlproduktion. Ziel ist die Re-duktion von CO2 in der Stahlerzeu-gung um etwa 80 % bis 2050.
NO2
Umweltaufwendungen in den letzten 10 Jahren
-22%
2,3 Mrd. EUR
CO2
Staub
-76%
-15%
Energie
-95%
-75%
SO2
In den vergangenen 30 Jahren hat dievoestalpine die spezifischen, also auf dieProduktion bezogenen, Emissionen von Luft-schadstoffen aus der Stahlerzeugung mar-kant reduziert. Das gilt auch für den Energie-verbrauch je Tonne Rohstahl. Diese Entwick-lung verläuft jedoch nicht linear und kannnicht unbegrenzt fortgesetzt werden: Emis-sionen und Energieeinsatz haben heutepraktisch das technologisch mögliche Mini-mum erreicht, weshalb die voestalpine inten-siv an völlig neuen Herstellverfahren forscht.