DIE WELT IST BUNT

UND VIELFÄLTIG

Die unternehmerischen Herausforderungen in einer globalen Welt

(An)Treiben, aber sich nicht trei- ben lassen. Globalisierung heißt, sich die Welt aktiv zu erschließen und die gesellschaftliche, wirt- schaftliche und kulturelle Vielfalt als Chance zu begreifen und zu seinem Vorteil zu nutzen.

Globalisierung polarisiert. Sie ist sowohl positiv als auch negativ besetzt. Sie ist oft viel mehr Gefühl als Wissen. Sie ist erstrebenswertes Lebensgefühl für die einen, ultimative Bedrohung für die anderen. Globalisierung kommt vom Wort global, also die ganze Welt betreffend. Ob einzelne Menschen, Unternehmen, Organisationen oder Staaten – Tatsache ist, dass wir alle irgendwie, irgendwo mit irgendjemandem verbunden, verflochten, vernetzt sind, ob persönlich, wirtschaftlich, politisch, kulturell oder sonst wie. Und kein Zweifel, die omnipräsenten Medien, vor allem aber die Social Media sind – nicht erst seit Trump – bevorzugtes Transportmittel und positiver oder negativer Beschleuniger für dieses Gefühl.


Aber wie so oft: Gemessen an den Fakten relativiert sich dieses Gefühl. Nach Aussagen des CEO des Logistikkonzerns DHL Express, John Pearson, in einem Interview im April dieses Jahres werden nur 20 % der weltweiten Wirtschaftsleistung exportiert. Nur 3 % der Menschen leben außerhalb der Länder, in denen sie geboren wurden. Nur 1,3 % aller im jeweiligen Inland verschickten Pakete werden grenzüberschreitend versandt. Weltweit machen die Investitionen von Unternehmen in den Kauf, den Ausbau oder die Erweiterung von internationalen Geschäftsfeldern, also wirtschaftliche Globalisie- rungsmaßnahmen, weniger als 10 % aller Anlageninvestitionen aus.


Und noch etwas: Globalisierung ist nichts Neues! Weltweit über Kontinente hinweg gehandelt wird schon seit Jahrhunderten, besser gesagt seit sehr vielen Jahrhunderten. Richtig ist dabei, dass sie sich durch technische Entwicklungen heute deutlich beschleunigt hat: durch die Vernetzung und Nutzung von Daten, durch den Ausbau des Flug-, Schiffs-, Bahn- und Straßenverkehrs, durch die generell gestiegene Vielfalt der Beziehungen zwischen Ländern, Unternehmen und Menschen.


Die ersten Schritte der voestalpine auf die globalen Märkte waren das, was man unstrukturiert nennt. In den 1950er und 1960er Jahren war es der Erfolg des LD- Verfahrens, besser gesagt: Es waren die daraus resultierenden Chancen, die dem Konzern zu Geschäften in vielen Ländern der Welt verhalfen. In der Folge war es der wirtschaftliche Druck, der das Unternehmen in eine damals wenig strukturierte Internationalisierung und damit zu riskanten Geschäften trieb. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind bekannt.


Nachdem das Überleben gesichert worden war, fokussierte sich das auf rund 15 000 Mitarbeiter geschrumpfte Unternehmen ab 1994 unter der Führung von Peter Strahammer auf Hightechstähle und brachte die Kosten in den Griff. 1995 war das dann auch die Story für den Börsegang: hochspezialisierter und effizienter Hightechstahlerzeuger in Mitteleuropa mit bevorzugtem Zugang zum – damals noch jungen – zentraleuropäischen Markt und der Donau als kostengünstigem Transportweg. Die einzige ausländische Produktionsgesellschaft war damals übrigens die Anfang der 1990er Jahre gekaufte belgische Sadef NV, ein Spezialprofilunternehmen.


In diese Zeit fällt auch ein Projekt, das nicht verwirklicht werden konnte – und dessen Scheitern man im Nachhinein als „Glück gehabt“ bezeichnen muss. Die voestalpine wollte den deutschen Stahlkonzern Salzgitter übernehmen. Ende 1997 war alles aus- verhandelt, ein Memorandum of Understanding lag unterschrieben auf dem Tisch. Die Aufsichtsräte beider Unternehmen hätten den Kauf Anfang Jänner 1998 absegnen sollen, doch die Vollzugsmeldung aus Deutschland blieb aus. Der Grund: Der damalige Ministerpräsident von Niedersachsen, Gerhard Schröder, hatte den Verkauf untersagt. Niedersachsen war damals wie heute mit mehr als 25 % an Salzgitter beteiligt. Schröder wollte die Landtagswahlen im Frühjahr 1998 gewinnen und sich danach zum Kanzler- kandidaten der SPD für die Bundestagswahlen küren lassen. Ein Verkauf von Salzgitter ans Ausland, so die Befürchtung, hätte ihm diese Suppe versalzen können. Die Überlegung Schröders ging auf, er wurde deutscher Bundeskanzler. Dass der Deal damals scheiterte, war für die voestalpine ein Tiefschlag, aus heutiger Sicht allerdings Glück.


Zurück zur Internationalisierung der voestalpine: Peter Strahammer galt als heimat- verbunden, der Kapitalmarkt und das Fliegen zählten nicht zu seinen Leidenschaften. Dennoch gab es im Vorstand schon im Jahr 2000 ernsthafte Überlegungen, wo die Reise des Unternehmens künftig hingehen sollte. Erste Konkretisierungs- und Umset- zungsschritte einer neuen Strategie erfolgten aber nach dem tragischen Tod Strahammers im Sommer 2001 unter seinem Nachfolger Franz Struzl. „Wir machen mehr aus Stahl“, lautete der neue Weg mit dem Ziel, sich vom Stahlunternehmen zu einem –

im damaligen Jargon – Verarbeitungskonzern zu wandeln. Gestartet wurde mit dem Aufbau des Geschäftsbereiches motion in der Absicht, die Wertschöpfungskette ziemlich radikal in Richtung Automobilindustrie zu verlängern.


Von 2002 bis 2007 hat die voestalpine dann in einem konjunkturell boomenden Umfeld sehr viele Unternehmen vor allem – aber nicht nur – in Europa gekauft. Und nicht bloß im Automotive-Bereich schritt die Internationalisierung flott voran. So wurde mit der VAE der weltweit größte Weichenhersteller in jenen Konzern gleichsam heimgeholt, zu dem er bis in die 1980er Jahre bereits gehört hatte. Dies war ein Sprung nach vorne im Eisenbahnbereich, einem weiteren Schwerpunkt der Unternehmensstrategie. Mit neun Weichenwerken allein in den USA war der Konzern damals auch schon in Übersee ordentlich präsent.


Die spektakulärste Übernahme aber erfolgte in den Jahren 2007 / 2008 mit BÖHLER- UDDEHOLM. Es war nicht nur die bis heute teuerste Akquisition eines österreichischen Unternehmens, sondern auch eine Art Coming-home, denn Böhler (schon damals übrigens einschließlich Uddeholm) hatte ja bis Anfang der 1990er Jahre zum voestalpine- Konzern gehört. Mit der Übernahme holte sich die voestalpine auch den global führenden Hersteller und Service-Dienstleister im Bereich anspruchsvollen Edelstahls ins Haus. Die Zahl der Beschäftigten kletterte damit auf 38 000, die Hälfte davon erstmals außerhalb Österreichs. Der Umsatz stieg von knapp 7 Mrd. Euro auf über 10 Mrd. Euro. China und Asien befanden sich nun auf der Landkarte der Konzernstandorte, ebenso wie einige neue in Südamerika.


Ein in seinen Produktbereichen führendes Unternehmen wie die voestalpine muss global agieren. Die Qualität der Produkte ist weltweit gefragt und daher macht es auch Sinn, sich weltweit aufzustellen. Die Suche nach neuen Märkten ist also eine ewig währende. Blinde Flecken gibt es auf der voestalpine-Weltkarte eigentlich keine mehr. Europa ist der Kernmarkt. Wachstum ja, aber viel geht da nicht mehr, die Kunden wollen keinen übermächtigen Partner. Der USMCA-Raum (früher NAFTA) von Kanada über die USA bis Mexiko ist ein definierter Wachstumsraum mit vielen Möglichkeiten, aber – gerade auch jüngst spürbar – mit zweifelhaften Hürden. Der wirkliche Wachs- tumsmarkt der Zukunft ist Asien, allen voran China und Südostasien. Chancen gibt es auch in Afrika, die politische Instabilität in vielen Ländern macht ein Engagement aber nach wie vor oft zu riskant. Vor allem politische Gründe sind es auch, warum die Märkte Russland und Indien, die zentralasiatischen Staaten oder einzelne arabische Länder auf kleiner oder gar keiner Flamme gehalten werden.


Die Globalisierung ist Realität, auch wenn es dabei de facto nicht um eine flächendeckende, sondern um eine gleichsam regional fokussierte Globalisierung geht. Diese regionale Globalität kann man sich zum Vorteil machen, ja, man muss sie nutzen, wenn man den Anspruch und den Ehrgeiz hat, dort gezielt präsent zu sein, wo wirtschaftlich die Musik spielt. Dazu muss aber vieles stimmen – es bedarf effizienter Forschung und Entwicklung, getrieben von kreativen Köpfen, die die notwendigen Innovationen hervorbringen und damit Vorsprung in Technik und Qualität schaffen, und es bedarf kongenialer Partner für die technische und kommerzielle Umsetzung. Engagierte und qualifizierte Mitarbeiter sind damit der zentrale Schlüssel zum Erfolg – und last, not least braucht es einen Betriebsrat als Partner, der unternehmerisch denkt und weiß, was machbar ist und was nicht.


(An)treiben, aber sich nicht treiben lassen. Agieren statt reagieren. Globalisierung heißt, sich aktiv die Welt erschließen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wo stünde die voestalpine heute, wäre sie den Weg der Internationalisierung in den letzten 15 Jahren nicht so konsequent gegangen? Ja, dies ist eine „Was-wäre-wenn- Frage“, der Versuch einer Antwort aber kann das für viele so abstrakte Thema Globalisierung greifbarer machen, das indifferente Gefühl um ein paar Fakten positiv anreichern. Als fast reinem, wenn auch hochspezialisiertem Stahlkonzern wie noch zum Ende der 1990er Jahre würde der voestalpine heute die Erfahrung der Endmärkte ihrer Produkte fehlen. Gerade die Kombination aus Hightechstahlerzeugung und Weiterverarbeitung bis zum finalen Produkteinsatz im Auto, Flugzeug, Bahnnetz, aber auch Uhrgehäuse oder Raketenantrieb (ja, auch in so exotischen Segmenten ist die voestalpine ein anerkannter Spieler) ist ein unschätzbarer Erfahrungs- und Wettbewerbsvorteil. Innovation, ohne gleichzeitig die weltweiten Entwicklungen aus eigener Erfahrung zu kennen, ist eine halbe Sache. Gleichzeitig wirkt die kulturelle Vielfalt im Denken und Handeln der Mitarbeiter ungemein bereichernd. Eine auf Mitteleuropa beschränkt gebliebene voestalpine hätte wahrscheinlich bei Umsatz und Gewinn nur vergleichsweise kleine Brötchen backen können. Und sie wäre damit ein leistbares Objekt der Begierde für Konkurrenten, nicht nur aus Europa, geworden, ein potentieller Übernahmekandidat. Man darf nicht vergessen, dass die heutigen, den Massenmarkt beherrschenden Stahlkonzerne durch Übernahmen und Fusionen gerade in der Zeit zwischen 2000 und 2015 entstanden sind.


Nicht auszuschließen, dass es die voestalpine in der heutigen Form nach einer solchen Übernahme oder Fusion gar nicht mehr gäbe – mit allen Folgen vor allem für die Regionen Oberösterreich und Steiermark. Ja, die Strategie der Öffnung in Richtung Endkunden und Endprodukte durch die Erschließung der Wertschöpfungskette hätte auch schiefgehen können. Wer weiß. Es braucht abseits aller Planungen vor allem auch Mut zum unternehmerischen Risiko, und wer dies leugnet, verkennt die Realität – Glück zum Erfolg. Und die richtige Balance zwischen „Kopf und Bauch“ bei den Entscheidungsträgern. Stimmt das alles, ist die globale Welt gar nicht mehr so groß und bedrohlich, sondern bunt und voller Chancen; denn noch zählen überall, d. h. unabhängig wo, vor allem die Menschen und ihre Fähigkeiten. Und da gibt es ein großes Danke an aktuell 52 000 – verteilt über alle fünf Kontinente – die mit ihrem Wissen und ihrem Engagement die heutige, global erfolgreiche voestalpine ausmachen.

Ein Weltmarkt- und Technologieführer wie die voestalpine muss und will global agieren.

2019 ist die voestalpine mit 500 Standorten auf der ganzen Welt vertreten – ein Ergebnis der seit 2001 betriebenen konsequenten Internationalisierung. Mit Englisch als Konzernsprache ist die voest- alpine auch dank Digitalisierung weltweit vernetzt.

Die voestalpine ist ein Konzern mit 500 Standorten in 50 Ländern auf fünf Kontinenten und einem Headquarter.

über

100

Nationalitäten

Mitarbeiter des

voestalpine-Konzerns weltweit:


Europa 80,8 %

Amerika 11,6 %

Asien 6,4 %

Afrika 0,7 %

Australien und Ozeanien 0,5%


Das Leben ist Veränderung, auch am Arbeitsplatz. Heute wird die Digitalisierung als die neue Revolution bezeichnet. Doch für einst wie für jetzt gilt: Der Mensch – die Mitarbeiter – ist die wichtigste Grundlage für den Erfolg des Unternehmens.